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Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung hat in einer Studie untersucht, wie sich arbeitsmarkt- und sozialpolitische Maßnahmen, die Menschen schneller in Jobs bringen sollen, auf die Erwerbsarmut in 18 europäischen Ländern ausgewirkt haben.

Ergebnis: Immer mehr Menschen in Europa sind arm, obwohl sie arbeiten. Am stärksten stieg die sogenannte Erwerbsarmut (working poor) in den vergangenen Jahren in Deutschland. Das hängt auch damit zusammen, dass Arbeitslose stärker unter Druck stehen, eine schlecht bezahlte Arbeit anzunehmen. Im Jahr 2014 war in Deutschland nahezu jeder zehnte Erwerbstätige zwischen 18 und 64 Jahren erwerbsarm - genau im Durchschnitt der EU-Länder.

Mehr Arbeit ist keine Garantie für weniger Armut. Das Beispiel Deutschland sei „besonders bemerkenswert“, so die Forscher. Einerseits stieg die Beschäftigungsrate zwischen 2004 und 2014 stärker als in den meisten europäischen Ländern, andererseits verzeichnete Deutschland den höchsten Zuwachs an Erwerbsarmut. Wie passt das zusammen? „Offensichtlich ist der Zusammenhang zwischen Beschäftigungswachstum und Armut komplizierter als gemeinhin angenommen“, so die Wissenschaftler. Mehr Arbeit sei keine Garantie für weniger Armut – zumindest dann nicht, wenn die neuen Jobs nicht angemessen entlohnt werden oder die Stundenzahl gering ist. Die positive Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt beruhe zu einem großen Teil auf einer Zunahme atypischer Beschäftigung, vor allem Teilzeit, häufig im Dienstleistungsbereich und im Niedriglohnsektor. Die Ausweitung des Niedriglohnsektors sei durch weitgehende Deregulierungen des Arbeitsmarktes, die Kürzung von Transferleistungen und verschärfte Zumutbarkeitsregelungen beschleunigt worden.

Der Druck auf Arbeitslose sei gestiegen, möglichst schnell eine Arbeit zu finden. "Maßnahmen, die Arbeitslose dazu zwingen, Jobs mit schlechter Bezahlung oder niedrigem Stundenumfang anzunehmen, können dazu führen, dass die Erwerbsarmut steigt, weil aus arbeitslosen armen Haushalten erwerbstätige arme Haushalte werden", schreiben die Wissenschaftler.


Studie



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