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Newsletter Expertenforum Selbständige 30.03.2020 (Aktualisierung 06.04.2020)

Seit 2018 gibt es das "Expertenforum Selbstständige" als offiziellen Arbeitskreis der BAG-SB. Das Expertenforum richtet sich an alle interessierten Schuldner- und Insolvenzberatungskräfte, die aktuell (ehemals) Selbstständige Klienten beraten. Es dient der Vernetzung und dem fachlichen Austausch.
In seiner Eigenschaft als Leitung des Expertenforums hat Frank Wiedenhaupt am 30.03.2020 (aktualisiert 06.04.2020) einen Newsletter verschickt, in dem Beratungsschritte für von Corona betroffene Selbstständige aufgezeigt werden.

Folgende Punkte sind gegenüber der Newsletter-Version vom 30.03.2020 geändert worden:

- 1. Beantragen von Leistungen nach dem SGB II
- 3. Weitere Reduzierung von Haushaltsausgaben
- 4b. Mietzahlungen
- 5. Staatliche Zuschüsse


Hinweis
e:

Frank Wiedenhaupt hat im Rahmen der Fortbildung "Recht in der Schuldnerberatung" im November 2019 in Rendsburg einen Vortrag zum Thema "Die Beratung von Selbstständigen in der Schuldnerberatung" gehalten. Dieser findet sich im internen Bereich unserer Seite.

Auf YouTube stellt Frank Wiedenhaupt eine Präsentation in mehreren Teilen mit dem Titel "Krisenberatung von Selbstständigen in Zeiten von Corona - Branchenübergreifende Beratungsschablone für SchuldnerberaterInnen" zur Verfügung. Mehr

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mittlerweile haben Bund und Länder ihre finanziellen Schutzschirme gespannt und die Frage ist jetzt, wie diese Zuschuss-, Kredit- und Kostenreduzierungsmaßnahmen eigentlich sinnvoll für Kleinst- und Kleinselbstständige angewandt werden können.

Ich möchte nachfolgend mal einen Lösungsansatz skizzieren und Euch zur Hand geben, den man wie eine Schablone auf Beratungsfälle legen kann, um möglichst schnell die Existenz des Selbstständigen, seiner Familie und eben seiner wirtschaftlichen Selbstständigkeit zu sichern. Es ist nur eine grobe Skizze und zunächst branchen- und länderunabhängig. Natürlich kann und muss sie im Laufe der Zeit erweitert werden, im Endeffekt soll sie dazu dienen, nicht bei jedem neuen Beratungsfall das Rad neu zu erfinden. Fakt ist weiterhin, dass die Sanierungsmöglichkeiten der Insolvenzverfahren nicht greifen, solange staatlich begründet keine Einnahmen erzielt werden können.

Ausgangspunkt ist, dass durch das "Runterfahren" der Wirtschaft keine Einnahmen mehr aus dem Gewerbe oder freiberuflichen Tätigkeit erzielt werden können.

1. Beantragen von Leistungen nach dem SGB II
Zunächst ist wie bei einem Verbraucherschuldner die Existenz zu sichern. Das bedeutet das sofortige Beantragen von Leistungen nach dem SGB II. Damit sind nicht nur der Lebensunterhalt und die Miete der Selbstständigen und ihrer Familie gesichert, sondern auch die Kranken- und Pflegepflichtversicherung kann weitergeführt werden. Das ist auch gerade bei einer Familienversicherung wichtig.

Die Vermögensprüfung wird dabei für sechs Monate ausgesetzt. Nach Ablauf des Sechsmonatszeitraums erfolgt keine rückwirkende Prüfung des Vermögens, es sei denn, die Voraussetzungen der §§ 45, 48 SGB X liegen vor.

2. Liquiditätsschonende Anträge beim Finanzamt
Zum privaten Bereich gehört auch das sofortige Beantragen beim Finanzamt, die Einkommensvorauszahlungen bis auf weiteres auf 0,00 € setzen zu lassen sowie die möglicherweise ausstehende Steuerzahlung für 2018 zu stunden. Mehr

3. Weitere Reduzierung von Haushaltsausgaben
Die weitere Reduzierung von Haushaltsausgaben geschieht wie beim Verbraucher (Fitness-Studio, Sportverein, Musikschule, etc.). Wenn das Fitness-Studio nicht besucht werden kann, sollte man auch gegen die Abbuchung vorgehen.

Des Weiteren müssen bei zu leistenden Unterhaltszahlungen die Unterhaltsberechtigten, das Jugendamt und/oder die Unterhaltsvorschusskasse über die Einkommensreduzierung umgehend informiert werden, damit die Höhe der Zahlung angepasst werden kann.

Ebenfalls sollten freiwillig gesetzliche Krankenversicherte Ihre Krankenkasse informieren, um den Krankenversicherungsbeitrag zu senken.

4. Ausgabenreduzierung im betrieblichen Bereich

Wenn die Einnahmen der Selbstständigkeit aufgrund der staatlichen Maßnahmen auf Null eingebrochen sind, dann müssen auch die Kosten und Ausgaben möglichst auf Null gesetzt werden. Die größten Kostenpositionen betreffen die Personal- und Mietausgaben.

4a. Personalkosten reduzieren
Bei den Personalkosten hilft die Möglichkeit der Kurzarbeit. Das ist für einen Gastronomen oder eine Masseurin eine eher ungewohnte Maßnahme, steht ihnen aber genauso zur Verfügung wie einem Auto-Konzern. Näheres hier.

4b. Mietzahlungen
Für die Mietzahlungen besteht aktuell die Möglichkeit diese zwischen dem 01.04.2020 und 30.06.2020 einzustellen. Das gilt nicht nur für das private Mietverhältnis, sondern auch für das gewerbliche. Bis dahin gilt für Mietrückstände aus dem Vierteljahreszeitraum ein Kündigungsverbot. Es muss glaubhaft gemacht werden, dass man die Miete nicht zahlen kann. Das dürfte einem Gastronomen oder einer Friseurin (leider) recht leicht fallen.

! Wichtig:
Aufgeschoben heißt aber nicht aufgehoben. Die rückständigen Mieten müssen dann bis spätestens 30.06.2022 zurückgezahlt sein und es können Zinsen anfallen.

Praktisch bedeutet das, dass der Mieter zunächst den Vermieter informiert, dass er aufgrund der fehlenden Einnahmen die Mietzahlungen vorerst für diesen Zeitraum einstellt und dann erst nicht zahlt.

4c. Umsatzsteuervorauszahlungen auf Null setzen lassen
Zusätzlich muss beim Finanzamt beantragt werden, die Umsatzsteuervorauszahlung auf 0,00 € zu setzen.

5. Staatliche Zuschüsse
Weitere Liquidität erhält ein Selbstständiger durch das Beantragen von Zuschüssen, die sowohl der Bund, als auch (teilweise?) die Länder zur Verfügung stellen. Hierbei handelt es sich um nicht rückzahlbare Gelder.

Der Leistungen des Bundes betragen ja nach Anzahl der Mitarbeiter 9.000,- bis 15.000,- €. Berlin z. B. legt noch einmal 5.000,- € drauf, sofern der Server der Investitionsbank sich wieder aus der Quarantäne befreit hat. Hier findet Ihr die jeweiligen Adressen der zu kontaktierenden Stellen. Diese sind sowohl für die Bundes- als auch Landesmittel zuständig.

! Wichtig:
Der Antragsteller muss bestätigen, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, für die er den Zuschuss beantragt, nicht bereits vor der Coronakrise bestanden haben. Als Stichtag für den Schadenseintritt ist der 11.03.2020 genannt. Das muss er beim Beantragen bestätigen und das soll (ist zu hören) wie eine Eidesstattliche Versicherung gewertet werden.
Wenn also der Zuschuss auf ein bereits vor diesem Stichtag gepfändetes Konto überwiesen wird, hat der Antragsteller nach dieser Formulierung möglicherweise falsche Angaben gemacht. So schnell dürfte ja diese Krise bei einem eigentlich gesunden Unternehmen nicht zur Kontopfändung geführt haben.
Ein Antrag des Selbstständigen beim Gericht diesen Betrag pfändungsfrei erklären zu lassen, kann demnach heftig nach hinten losgehen; denn damit ist dokumentiert, dass bereits vorher wirtschaftliche Schwierigkeiten bestanden haben.

Zu diesem Thema gibt es gerade (02.04.2020) eine Diskussion mit dem zuständigen Ministerium, um eine praktikable Lösung zu finden.

! Sonderprobleme:
Auch in einem Restschuldbefreiungsverfahren können und (teils) sollen Selbstständigkeiten weiter betrieben werden. Das Insolvenzrecht ist ja auch ein Sanierungsrecht. Daraus ergibt sich bei der Beantragung von Staatlichen Zuschüssen die Frage, wem fließt der Zuschuss in welcher Phase des Verfahrens eigentlich zu?

Folgende Fallkonstruktionen sind bereits aufgetaucht:

1. Der Schuldner befindet sich in der Wohlverhaltensphase, betreibt seine Selbstständigkeit unter den Bedingungen der Fördermöglichkeiten weiter und beantragt einen Zuschuss. Der Zuschuss als einmalige Leistung fällt nicht unter die Abtretungserklärung. Er kann daher den Zuschuss behalten.

2. Der Schuldner befindet sich in der Insolvenzphase. Die Selbstständigkeit ist aber freigegeben worden. Meines Erachtens steht der Zuschuss dem Betroffenen hier ebenfalls zu. Der Zuschuss wird ja für den Betrieb gewährt. Hier wird es sicherlich noch zu einigen Diskussionen kommen.

3. Die Selbstständigkeit des Schuldners wird in der Insolvenzphase vom Insolvenzverwalter weitergeführt. Hier dürfte der Antragsberechtigte der Insolvenzverwalter sein. Der Zuschuss gehört zur Masse. Ich gehe aber davon aus, dass der Zuschuss weder zur Insolvenzgläubigerbefriedigung noch zur Erhöhung der Vergütung genutzt werden kann. Diese Verwendung dürfte nicht dem Sinn des Zuschusses entsprechen.

6. Förderkredite?

Ob Förderkredite sinnvoll sind, entscheidet sicherlich der Einzelfall. Kredite müssen zurückgezahlt werden und die Frage steht im Raum, ob und wann die Wirtschaft in welcher Art und Weise wieder anspringt.

Klar ist, dass z. B. ein Restaurant, wenn es wieder öffnet, frische Lebensmittel einkaufen muss. Ein Großteil der alten Waren dürfte nicht mehr zum Verzehr geeignet sein. Das Geld dafür muss irgendwo herkommen.


Für Anregungen, Fehlermeldungen, Ergänzungen bin ich immer dankbar. Ich wünsche allen starke Nerven in der Hoffnung, dass unser Lieblingsitaliener an der Ecke diese Krise möglichst unbeschadet übersteht und bald wieder für uns da ist.

Herzliche Grüße

Frank Wiedenhaupt Dipl. Kfm.

Mitglied des Vorstands der
Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. (BAG-SB)
Markgrafendamm 24 (Haus SFm)
10245 Berlin
Tel. 030 69033 3101
Fax. 030 346 55 666 1
Email: frank.wiedenhaupt[at]bag-sb.de
www.bag-sb.de

Amtsgericht Berlin-Charlottenburg * Vereinsregister VR 36119 B

 

 

Koordinierungsstelle Schuldnerberatung in Schleswig-Holstein