Zur Navigation springen Zum Inhalt springen

Das Bundesverfassungsgericht hat gestern in einem Urteil entschieden, dass die derzeitigen Sanktionen im SGB II teilweise verfassungswidrig, dennoch aber grundsätzlich rechtens sind:

- Starre Sanktionsregelungen, die bei Verhaltensänderungen nicht rückholbar sind, soll es nicht mehr geben.

- Die allgemeinen pauschalen Sanktionsmöglichkeiten werden auf 30 % des Regelsatzes beschränkt.

- Außergewöhnliche Härten und Besonderheiten des Einzelfalles sind zu beachten.


Hintergrund:

Das Gericht hatte über den Fall eines Arbeitslosen aus Erfurt zu urteilen, der mit 234,60 Euro im Monat weniger auskommen sollte, weil er ein Jobangebot abgelehnt und Probearbeit verweigert hatte. Das wurde vom Jobcenter als Pflichtverletzung nach § 31 SGB II gewertet.

Im bestehenden Sanktionsrecht ist jede Arbeit zumutbar - auch prekäre Arbeitsverhältnisse. Sanktionen haben negative soziale Folgen. Sie kürzen das Lebensnotwendige, machen soziale Teilhabe unmöglich und schaden der sozialen und beruflichen Eingliederung. Die Folgen sind Verschuldung, soziale Isolierung, massive gesundheitliche und psychische Belastungen bis hin zu drohender Wohnungslosigkeit. Der Kontakt zum Jobcenter wird teilweise abgebrochen; das Hilfesystem erreicht die Betroffenen nicht mehr. Im Jahr 2018 waren laut Bundesagentur für Arbeit 8,5 % der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten von Sanktionen betroffen.

Zu beachten ist, dass die Sanktionsregelungen für Unter-25-Jährige sowie die Sanktionen bei Meldeversäumnissen (§ 32 SGB II) nicht Gegenstand dieser Entscheidung waren, sodass diese Regelungen weiterhin uneingeschränkt anwendbar sind. Es ist jedoch absehbar, dass auch diese Regelungen einer gerichtlichen Nachprüfung entsprechend nicht Stand halten werden. Laut Bundesagentur für Arbeit waren im vergangenen Jahr 77 % der ausgesprochenen Sanktionen Meldeversäumnisse.

Mehr in der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 05.11.2019.

 

Pressemitteilung

 

 


Der Verein Tacheles war vom Bundesverfassungsgericht als sachverständiger Dritter in dem Sanktionsverfahren bestimmt worden und hatte sich mit einer umfassenden juristischen Stellungnahme vehement gegen Sanktionen ausgesprochen. Ebenfalls haben sich die Wohlfahrts- und Sozialverbände, der DGB und der Deutsche Anwaltsverein deutlich gegen die bisherige Sanktionspraxis positioniert. In Vorbereitung  der Verhandlung im Januar 2019 hatte Tacheles eine Onlineumfrage zu den Folgen und Wirkungen der SGB II-Sanktionen gemacht. An dieser hatten sich über 21.000 Menschen beteiligt.

Die Ergebnisse sowie die Stellungnahme von Tacheles finden Sie unter dem Link.

Tacheles stellt auf seinen Seiten umfangreich da, welche Folgen das Urteil des BVerfG für die davon Betroffenen hat und worauf Beratungsstellen zu achten haben. Dazu folgen Sie dem angegeben Link.

 

Stellungnahme Tacheles

 

 

Folgen aus dem Urteil

 

 

 

Koordinierungsstelle Schuldnerberatung in Schleswig-Holstein